Ein Endoskop wird in Narkose unter Sicht durch die Harnröhre in die Harnblase eingebracht (Blasenspiegelung). Über das Instrument wird dann eine gelartige Substanz aus hochpolymerem Zucker direkt unter die Schleimhaut des Harnleiters und unter der Einmündungsstelle des Harnleiters in die Harnblase eingespritzt, die die Harnleitermündung anhebt und leicht einengt und dadurch den Reflux beseitigt.
(Ordensklinikum, 2021)
Nachdem wir informiert wurden, dass die minimal invasive Harnleiterunterspritzung bei meiner Tochter nun in 2 Tagen stattfinden könnte, war ich sehr erleichtert. Es war mitten in den Sommerferien, sie war zu der Zeit ganz gesund (kein Husten, kein Schnupfen) und der letzte fieberhafte Harnwegsinfekt war gerade gut überstanden. Denn eine meiner Sorgen war auch, wenn die Prophylaxe nicht ausreichend wirkt, und sie ständig neue Harnwegsinfekte hat, dass wir mögliche freie Termine erst nicht wahrnehmen könnten. Ein Teufelskreis.
Wir reisten also am Tag zuvor an und bezogen unser Zimmer. Ich erkärte ihr, warum wir hier waren. Dass die Ärzte ihr helfen werden, damit das Fieber und der Schüttelfrost nicht immer wieder zurückkommen und es nicht mehr brennt beim Pipi machen.
„Dass der Grund Bakterien im Pipi sind und dieses immer wieder mal in die falsche Richtung fließt
und die Bakterien dann den Nieren weh tun, anstatt ausgespült zu werden.
Und, dass sie dann auch keine abendliche Medizin mehr nehmen müsste.“
„Aber die schmeckt mir doch so gut“, antwortete sie mir.
Gemeinsam erkundeten wir das Spielzimmer und die Umgebung. Der Eingriff war für den nächsten Tag am frühen Nachmittag geplant. Aufgrund der Narkose durfte sie zwar noch frühstücken aber ab dann nichts mehr essen. Trinken durfte sie noch etwas länger. Eine Zeit lang funktionierte das sehr gut, gegen Mittag jammerte sie dann immer mehr, dass ihr Bäuchlein schon grummelte und wieso sie nichts essen dürfte.
Als wir dann abgeholt wurden, ging alles sehr schnell. Aufgrund der zuvor gegebenen Sedierung war sie etwas benommen und ließ alles geschehen. Ihr kleines Kuscheleinhorn lag neben ihr. Vor der Tür zum OP musste ich mich von ihr verabschieden. Ich konnte meine Tränen kaum zurückhalten.
„Wir passen ganz gut auf die kleine Maus auf“, versicherte mir die Assistentin.
Ich bekam ein Handy, drehte mich um und ging heulend zurück ins Zimmer. Kaum 20min später erhielt ich den Anruf, dass alles gut verlaufen war. Doch erst dieser endoskopische Eingriff zeigte die genau Anatomie ihrer Harnleiterostien und lieferte somit die Erklärung ihrer ausgeprägten Symptomatik.
Die Form der Ostien kann auf einen VUR hinweisen (Hufeisenform oder Golflochform). Je lateraler das Ostium, desto größer die ureterotrigonale Insuffizienz und desto schlechter die Spontanheilung.
(Manski, 2020)
Grad 0 (Normal): wie ein Vulkan mit kleiner Öffnung
Grad 1 (Fußballstadion): Ostium oval mit zirkulärem Randwall
Grad 2 (Hufeisen): Ostium oval, nach medial verstrichener Randwall
Grad 3 (Golfloch): klaffendes ovales Ostium ohne Randwall
Der intraoperative Befund zeigte ein „stark lateralisiertes, entrierbares Harnleiterostium links sowie ein lateralisiertes und stark aufspülbares Harnleiterostium rechts.“ Somit wurde, trotz eines zuvor vermeintlich niedriggradigen Refluxes, links sowie rechts unterspritzt. Die Erfolgsrate des Eingriffs liegt im Falle meiner Tochter bei 60-70 %, aufgrund der Anatomie der Ostien ist ein „Auswachsen“ unwahrscheinlich. Es wird sich erst zeigen, ob dieser Eingriff für meine Tochter langfristig ausreichen wird.
Im Falle neuerlicher fieberhafter Harnwegsinfektionen, muss (aufgrund des anatomisch ausgeprägten Befundes) eine Harnleiterneuimplementierung in Betracht gezogen werden.